Herz-Jesu-Verehrung
Wer heute noch von
Herz-Jesu-Verehrung redet und sich dabei gar auch noch auf die
Privatoffenbarungen beruft, die vor 300 Jahren in einem franzšsischen Kloster
eine junge Nonne gehabt haben soll, der wird von vielen Menschen, auch von Katholiken,
sogar von Priestern, nicht ganz ernst genommen, als ein der Nostalgie
verfallener TrŠumer oder als ein Phantast hingestellt. Wie kann man nur in dieser
weltzugewandten Zeit einer technisierten Industrie- und Konsumgesellschaft von
Herz-Jesu-Verehrung sprechen? Das war einmal. Aber heute?
Und doch kommt mir vor, als ob
die Herz-Jesu-Verehrung nie so aktuell gewesen wŠre wie heute! Wieso? Darf ich
es an einem Ortsnamen aufzeigen, der heute auch sehr vielen Menschen nichts
mehr sagt und der doch wie kaum ein anderer Ortsname an Šrgste Herzlosigkeit
erinnert, zu der Menschen je fŠhig waren: Lidice! Am 10. Juni 1942 wurde
Lidice, ein bis dahin ganz unbekannter Ort in der CSR, von der
NS-Sicherheitspolizei wortwšrtlich dem Erdboden gleichgemacht: Die mŠnnlichen
Bewohner des Ortes – 192 insgesamt, der Šlteste 84, der jŸngste 15 Jahre
alt – wurden erschossen, die fast 200 Frauen des Dorfes und die 104
Kinder wurden in KZs abgeschoben; die meisten von ihnen fanden in den
Gaskammern der NS-Vernichtungslager den Tod. Das alles gehšrte zu den
Vergeltungsma§nahmen, die die NS-Behšrden des damaligen Protektorates
Bšhmen-MŠhren angeordnet hatten, weil der stellvertretende Reichsprotektor, der
SS-ObergruppenfŸhrer und Polizeigeneral Reinhard Heydrich durch tschechische
WiderstandskŠmpfer ermordet worden war. Die Bewohner Lidices hatten angeblich
diese WiderstandskŠmpfer unterstŸtzt. Darum diese grausame Vergeltung! –
Nicht weit von den TrŸmmerresten des alten Lidice stehen heute auf einem HŸgel in
Neu-Lidice, etwa 150 moderne HŠuser. Im alten zerstšrten Dorf aber erinnert auf
dem ehemaligen Hof des Bauern Husak, wo die MŠnner erschossen worden waren, ein
gro§es Kreuz an jenen 10. Juni 1942.
Immer wieder haben Menschen
andere kalt, lieblos, herzlos ermordet.
Ob das nun Lidice in der CSR war oder Oradour in SŸdfrankreich, wo 1944
als Repressalie gegen die franzšsische Widerstandsbewegung der ganze Ort niedergebrannt,
der grš§te Teil der Bevšlkerung aber umgebracht wurde, oder ob das My Lai in
Vietnam war, oder ob es Solschenizyns Archipel Gulag war oder ob es die
AbfallkŸbel sind, die an jenen StŠtten, an denen die teuflische Fristenlšsung
praktiziert wird, mit abgetriebenen Fšten gefŸllt werden ...
†ber all den herzlos gemordeten
Menschenleibern und Menschenseelen erhebt sich – wie heute in Lidice
– ein Kreuz, das Kreuz, an dem jener hing, der mit seinem durchbohrten
Herzen alle Herzlosigkeit und Lieblosigkeit der Menschen sŸhnen wollte, und der
uns durch seine selbstlose, zum Šu§ersten Opfer bereite Liebe von der Krippe
bis ans Kreuz lehren wollte, wie es auf das Herz, auf die dienende, sŸhnende,
vergebende, verzeihende, opferbereite Liebe ankommt.
Albert Einstein, der kein Christ
war, hat genial das Mysterium des Herzens erspŸrt, als er kurz vor seinem Tod
beim Gedanken an die Folgen, die aus der Atomspaltung hervorwachsen kšnnen,
meinte, das Problem unserer Zeit sei nicht jenes der Atomenergie, sondern das
des menschlichen Herzens. Wo aber andere in einer erschŸtternden Klage mit
recht von der ãTragšdie des menschlichen HerzensÒ schreiben, das erstorben ist
bis tief in die Reihen derer hinein, die sich Christen nennen, da schauen wir
auf zu jenem Herzen, das aus unendlicher Liebe fŸr uns durchbohrt worden ist
und das allein gegenŸber der Herzlosigkeit der Menschen helfen kann, die
Menschen wieder menschlicher zu machen, denn Christus selbst hat – wie
Papst Pius XII. in seiner gro§artigen Herz-Jesu-Enzyklika ãHaurietis aquasÒ vom
15. Mai 1956 geschrieben hat – sein Herz ãzum Zeichen und Unterpfand der
Erbarmungen und der Gnade fŸr die Nšte der Menschheit und fŸr die Nšte der
Kirche in unserer Zeit bestimmtÒ.
Dieses gottmenschliche Herz, zu
dem man aufschauen und von dem man ehrlich lernen sollte, ist der Inbegriff
aller Herzlichkeit, aller GŸte und Liebe! ãLernet von mirÒ, sagte Jesus eines
Tages. Aber er sagte nicht etwa: Lernet von mir Wunder wirken, Kranke heilen,
Brot vermehren, Wasser in Wein verwandeln ... Gewiss, er hŠtte auch das sagen
kšnnen. Aber kommt es beim rechen Menschsein nach dem Ebenbild Gottes darauf an?
Christus sagte nur: ãLernet von mir, denn ich bin sanft und demŸtig von Herzen
und ihr werdet Ruhe finden fŸr eure Seelen!Ò
Also nicht auf das, was uns das
Leben leichter, schšner, angenehmer, genussreicher und lustreicher machen
kšnnte, kommt es an, sondern auf das, was uns zur wahren Herzlichkeit fŸhrt und
uns von aller Herzlosigkeit befreit! Nur das ist entscheidend und das sollen
wir von ihm lernen. Und man mŸsst sich dazu an das durch ergreifende
Herzlichkeit charakterisierte Leben Jesu erinnern.
Man mŸsste das ganze Erdenleben
Jesu wie in einem Filmstreifen vor sich abrollen lassen, um sich klarzumachen,
wie Jesus Christus bei allem, was er sprach und tat, so ganz mit dem Herzen
dabei war: Ja, wenn er sprach, sprach er von Herzen, weil er es mit jedem Wort,
das er sagte, gut, unendlich gut mit den Menschen meinte und ihnen wahrlich
keine Drohbotschaft, sondern eine Frohbotschaft verkŸndete.
Und bei allem,, was er tat, war
er ganz mit dem Herzen dabei: Man mŸsste beispielsweise die Krankenheilungen
Jesu der Reihe nach mšglichst anschaulich und konkret an Hand der Texte der Hl.
Schrift schildern, es wŸrde einem dann in ŸberwŠltigender Weise aufgehen, wie
Jesus mit dem Herzen dabei war, denn die Liebe, die Macht seines selbstlos
liebenden Herzens trieb ihn zu diesen Wundern ...
Und wenn er drau§en in der WŸste
das Brot vermehrte, so war er wieder ganz mit dem Herzen dabei, denn er hatte
von ganzem Herzen Mitleid mit den Volksscharen, die wie Schafe ohne Hirten
waren...
Und wenn er das Brot brach
– im Abendmahlssaal und in der Herberge von Emmaus – so war er
wieder ganz mit dem Herzen dabei. Denn ein zuverlŠssiger Zeuge des
Abendmahlsgeschehens, der LeibesjŸnger Johannes, schrieb darŸber: ãDa der Herr
die Seinen, die in der Welt waren, liebte, liebte er sie bis ans Ende, bis zum
€u§erstenÒ... Die zwei EmmausjŸnger aber gestanden nach ihrer beglŸckenden
Christusbegegnung, dass sie ihn am Brotbrechen erkannt hŠtten und wie ihr
eigenes Herz damals brannte, als er ihnen – auf dem Weg mit ihnen redend –
die Schrift erschloss.
Und wie war Jesus mit dem Herzen
dabei, wenn er sich der SŸnder, der Irregegangenen, der Verirrten annahm, trotz
Hohn und Spott der PharisŠer, denen er sagte: ãNicht die Gesunden bedŸrfen des
Arztes, sondern die Kranken...Ò! Er ist der gute Hirte, der dem
verlorengegangenen Schaf nachgeht und es sucht und sucht, bis er es findet. Das
ist eigentlich der ganze Trost der Menschheit in ihrer Herzlosigkeit,
SŸndhaftigkeit und Verlorenheit, dass der Herr Jesus mit liebendem Herzen noch
jedem Verlorenen nachgeht, bis er ihn findet! Das ist der gro§e Trost der
Menschheit in der ausweglosen Situation, in die sie sich verrannt hat, dass
einer da ist, der keinen aufgibt und keinen versto§t, und fŸr den es auf dieser
Erde keinen schon endgŸltig Verlorenen gibt. Einer ist mit liebevoll sorgendem
Herzen immer auf der Suche, auf der Suche nach jedem von uns, bis er ihn
findet. So lange, so unermŸdlich, so unverdrossen, so geduldig, so langmŸtig
sucht er, bis er den Verlorenen findet. Das kann nur einer mit einem ganz
selbstlos liebenden, zum letzten Opfer bereiten Herzen, in welchem das Feuer gšttlicher Liebe lodert. Das zeigte sich
damals am klarsten, als er litt und starb. Er tat es nicht etwa unwillig, unter
einem harten, eisernen Muss, er tat es ganz freiwillig, aus Liebe. Er war auch
da - und da erst recht - so ganz mit dem Herzen dabei. Weil er uns alle durch
sein Leiden und Sterben erlšsen und fŸr unsere Herzlosigkeit Gott und den
Mitmenschen gegenŸber SŸhne leisten wollte. Und er opferte sich hin bis zum
letzten Blutstropfen, der seinem durchbohrten Herzen entstršmte.
Hier muss ich immer an ein Buch
des verstorbenen šsterr. Bischofs Alois Hudal – damals Rektor der
deutschen Nationalkirche in Rom – denken, das dieser in einer herzlosen
Zeit schreib, um darin Stellung zu nehmen zum sturmbewegten Zeitgeschehen. Im
Vorwort schrieb dieser angesehene Verfasser: ãDieses Buch ist mit meinem
Herzblut geschriebenÒ. Das war – in bester Absicht – eine arge
†bertreibung, zumal dieses Buch damals viel Verwirrung stiftete; ãDieses Buch
ist mit meinem Herzblut geschrieben!Ò Bei einem war es keine †bertreibung,
sondern wortwšrtlich wahr: Jene Seite der Heilsgeschichte, die Ÿber unserer
Erlšsung berichtet, ist wirklich mit Herzblut geschrieben, mit dem Herzblut des
Gottmenschen Jesus Christus. Und die Worte, die der Erlšser da mit dem Blut
seines heiligsten Herzens schrieb, lauten: ãMit ewiger Liebe habe ich euch
Menschen geliebt, um euch alle an mein Herz zu ziehen!Ò
Ja, am Kreuze schrieb der
menschgewordene Sohn Gottes Jesus Christus mit seinem Herzblut die Geschichte
seiner Liebe zu uns armen SŸndern zu Ende, diese schšnste und ergreifendste
ãLove storyÒ, die keine blo§e Dichtung, auch nicht etwa Mythos oder fromme
Legende, sondern von der Krippe bis zum Kreuz historische Wirklichkeit ist.
Diese ãLove storyÒ, diese
wundervolle Geschichte der Liebe Christi zu uns Menschen hat 33 Kapitel,
entsprechend den 33 Lebensjahren der Lebensgeschichte unseres Herrn und
Heilands. Und die vielsagenden KapitelŸberschriften dieser 33 Kapitel sind
– so kommt mir immer vor – die 33 Anrufungen der Herz-Jesu-Litanei.
In ihnen ist der Reihe nach der ganze Inhalt unseres christlichen Glaubens mit
dem Heilsmysterium des Christusereignisses von der ewigen Geburt des Sohnes
Gottes aus dem Vater und der EmpfŠngnis im Scho§e der jungfrŠulichen Mutter
Maria angefangen, bis hin zur Durchbohrung des Herzens Jesu wunderbar klar,
theologisch tief, trostvoll und schšn, nicht abstrakt, sondern sehr konkret und
auf die Lebenssituation eines jeden von uns zugeschnitten, angegeben. Man
sollte diese Litanei oft beten und Ÿber die einzelnen Anrufungen meditieren.
Man wŸrde dabei immer mehr zu spŸren bekommen, dass es bei der
Herz-Jesu-Verehrung im Sinn der Kirche nicht – wie so viele heute meinen
– um eine altmodische, všllig Ÿberholte, sŸ§liche, weichliche und
weibische Andachtsform einer frommen Nonne, die vor 300 Jahren in einem
franzšsischen Kloster gelebt hat, geht, sondern eigentlich wirklich um die
Herzmitte unseres christlichen Glaubens. Denn was ist es hinter allem
Wandelbaren das Unwandelbare, hinter allem Unwesentlichen das Wesentliche
unseres christlichen Glaubens und der gesamten biblischen Frohbotschaft? Es ist
die Wahrheit, dass ãGott (Vater) so sehr und in solcher Art die Welt (und uns
Menschen in ihr) geliebt hat, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab (in den
SŸndentod am Kreuze), damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe,
sondern das ewige Leben habeÒ (Joh 3,16). Die dichteste Verkšrperung aber und
das sprechendste Symbol dieser Liebe Gottes zu uns Menschen ist das durchbohrte
Herz des Gottmenschen Jesus Christus! Sagen wir es dem Kind in der Krippe und
dem Gekreuzigten mit dem durchbohrten Herzen: ãJesus, gŸtig und selbstlos von
Herzen, bilde unser Herz nach deinem Herzen. Amen